Firmengeschichte – Wie Bike Adventure Tours Entstand
Vor über 30 Jahren kamen Chris Schnelli und Martin Keller von ihrer fast einjährigen Velo- Weltreise in die Schweiz zurück. Diese einmalige Veloreise führte sie von Affoltern am Albis über mehrere Kontinente durch viele wunderschöne Länder – mit unvergesslichen Begegnungen mit gastfreundlichen Menschen – bis nach Kathmandu in Nepal.
Auf dieser Reise ist ein Traum entstanden: Was die beiden in einem Jahr erleben durften, wollten sie auch anderen Menschen ermöglichen. Und ihre Idee von Bike Adventure Tours war geboren. Kaum zurück von ihrer Veloreise, gründeten sie Bike Adventure Tours und machten ihre Leidenschaft – das Reisen mit dem Velo – zum Beruf.
Pionierreise im Sinai
Bereits die erste Gruppenreise in den Sinai war mit 12 TeilnehmerInnen ausgebucht und ein grosser Erfolg. Dies bestärkte Chris und Martin, dass weltweit organisierte Bikereisen gefragt sein könnten, und so war es dann auch.
In den Folgejahren wurden regelmässig neue Touren und Reiseziele in Europa wie auch Übersee ins Angebot aufgenommen. Ausserdem ging es 1994 ins exotische Südthailand, unter anderem mit Adi Glättli, dem heutigen Geschäftsführer. 1997 verliess Martin Keller die Firma, und Andi Schnelli wurde neuer Geschäftsführer und -partner an der Seite seines Bruders. 2010 übernahm die Globetrotter Group die Mehrheit des Unternehmens.
INTERVIEW MIT CHRIS SCHNELLI IM JUBILÄUMSJAHR 2021
Das Velo ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern dient auch zur Kontaktaufnahme
Seit 30 Jahren steht das Affoltemer Unternehmen Bike Adventure Tours für Bikereisen mit kulturellem Erlebnisfaktor. Im Interview blickt Co-Gründer Chris Schnelli zurück auf die Pionierzeit und voraus auf kommende Reise-Highlights.
Vor der Gründung von Bike Adventure Tours (BAT) vor 30 Jahren stand eine Weltreise. Mit dem Velo bis nach Kathmandu, so das ambitiöse Projekt von Chris Schnelli, gelernter Hochbauzeichner und Maurer, sowie Koch Martin Keller. Zum Startzeitpunkt am 11. April 1990 waren die beiden Gründer 24 Jahre jung.
Chris Schnelli, wie war das damals?
Chris Schnelli: Es war eine völlig unbeschwerte Zeit und die Gastfreundschaft auf dem ganzen Weg war beeindruckend.
Haben Sie ein Beispiel?
Schon am ersten Tag ausserhalb Europas, in Ägypten, zufällig dem Geburtstag von Martin Keller, wurden wir sogleich von einem kleinen Bauern auf einem Esel angesprochen und zu seiner Familie nach Hause eingeladen.
In Ägypten sind Sie dann länger festgesessen.
Ja, wir wollten eigentlich via Kuwait weiter, aber Saddam Hussein war vor uns da. (Am 28. August 1990 wurde Kuwait durch den Irak annektiert, Anm. d. Red.) Das reut mich heute noch, der Irak wäre damals etwas vom Schönsten gewesen.
Sie sind durch Länder gereist, die man Individualtouristen nicht vorbehaltlos empfehlen kann. Wovor hatten Sie am meisten Respekt?
Vor Indien. Nach Ägypten und Pakistan waren die Zustände dort dann allerdings fast paradiesisch, viel Fortschrittlicher. Aber egal wie abgelegen wir campierten, nach wenigen Minuten bildete sich immer eine Traube von Leuten, die uns beobachteten. Wir haben um unser Camp jeweils ein Seil ausgelegt. Das haben sie respektiert, So standen jeweils alle an diesem Seil und haben uns stunden land beim kochen, lesen und Tagebuch schreiben zugeschaut.
Und wann ist die Idee zu Bike Adventure Tours entstanden?
Als wir losgefahren sind, hatten wir das noch nicht im Kopf. Die Idee ist während der Reise gereift. Als wir in Kathmandu ankamen, hatten wir dann bereits unser erstes T-Shirt gedruckt. Das Logo von damals haben wir bis vor fünf Jahren beibehalten.
Im April 1991 kamen Sie zurück ins Säuliamt. Wie ging es dann weiter?
In Dia-Vorträgen in der Aula Ennetgraben haben wir über die Reise nach Nepal berichtet, promotet durch den «Anzeiger», der zuvor auch regelmässig über unsere Weltreise geschrieben hatte. Bereits unsere erste Tour, ein Velo-Trekking im Sinai vom 6. bis 20. Oktober 1991, war ausgebucht. In der Folge haben wir das Angebot jedes Jahr verdoppelt. Im dritten Jahr hatten wir bereits vier Destinationen auf 3 Kontinenten im Angebot. Es war damals sicher einfacher, in der Branche eine Firma zu gründen. Wir hatten eine Schreibmaschine, ein Faxgerät und einen Diaprojektor. Heute wären eine andere Infrastruktur und viel mehr Kapital nötig.
Nach fünf Jahren hat ihr Bruder Andi Schnelli als Geschäftspartner übernommen. Wie kam es dazu?
Es hat kaum jemand an uns und unsere Geschäftsidee geglaubt, auch in den eigenen Familien. Viele dachten, wir seien Hippies und Lebenskünstler. Gegen die 30 hat Martin dann der Mut verlassen, er hat geheiratet und ist ausgestiegen. Das war ein traumatischer Moment. Mein Bruder hat das Potenzial erkannt und wir haben die Welt aufgeteilt, er übernahm Südamerika, meine Vorliebe liegt eher bei Asien. Afrika und Europa haben wir gemeinsam abgedeckt. Seine Sache waren die Finanzen und das Personal, meine die Vermarktung.
Was bleibt aus der Pionierzeit in Erinnerung?
Das Schönste am Job war es, neue Destinationen zu rekognoszieren. Das machten wir nicht mit dem Jeep oder Motorrad, sondern wie auf der Weltreise mit Bike und Zelt. Die abenteuerlichen Berichte darüber erschienen im «Anzeiger». Die Leute haben sie gelesen und waren fasziniert. Die meisten Freundschaften, die ich heute noch pflege, stammen aus dieser Anfangszeit. Die gemeinsam erlebten Abenteuer haben zusammengeschweisst. Wir haben damals auch noch alles selbst gemacht: Camp erstellen, kochen … Umso schöner war es nach verrichteter Arbeit am Lagerfeuer unter dem Sternenhimmel. Wir haben sehr viel gearbeitet, aber mit Freude und Lust. Auf unseren Dia-Touren haben wir zuweilen in zwei Wochen zehn Städte abgeklappert. Es war streng, aber der Einsatz hat sich gelohnt.
Vor zehn Jahren folgte der Verkauf an Globetrotter. Wie schätzen Sie den rückblickend ein?
Den Anstoss gab der Eyjafjallajökull (Vulkan in Island, dessen Asche Mitte April 2010 den Flugverkehr in weiten Teilen Europas lahmlegte, Anm. d. Red.). Nach dem Vulkanausbruch bin ich auf den Philippinen gestrandet, eine andere Reisegruppe aus Mauritius blieb in Dubai hängen. Würde so etwas in der Hochsaison passieren, wäre man sofort Konkurs.
Die Grossen Anbieter, Kuoni, Knecht und Globetrotter, haben sich mit ihren Kaufangeboten gegenseitig überboten. Unser grosses Glück war, dass wir mit André Lüthi und Walter Kamm auf die Richtigen gesetzt haben. Ihre Philosophie war immer, dass die Marken eigenständig bleiben. Wir hatten dadurch alle Freiheiten. Mit dem Verkauf wollten wir auch unser Engagement reduzieren. Vor fünf Jahren hat deshalb Adi Glättli die Geschäftsführung übernommen. Er war 1994 der erste Reiseleiter auf unserer Lohnliste und betreute von Anfang an auch die IT.
Der Vulkanausbruch war nicht die einzige Krise in den 30 Jahren.
Ja, wir haben den Golfkrieg, Sars, die Schweinegrippe und 9/11 überstanden. Unser Glück war, dass wir sehr schnell in die Breite gingen. Wenn eine Destination nicht möglich war, konnten wir an einen anderen Ort ausweichen. Aber was wir jetzt erleben, betrifft die ganze Welt. Für 2020 zeichnete sich nach den Buchungen anfangs Jahr ein absolutes Rekordjahr ab. Durchführen konnten wir dann allerdings nur vier von 80 Reisen. In der ganzen Globetrotter Group ist der Jahresumsatz um 78 Prozent eingebrochen. Wir mussten alle unser Arbeitspensum stark reduzieren und hoffen nun, dass die Welt bald wieder aufgeht. Die Leute wollen reisen. Und weil unsere Destinationen in Äquatornähe liegen, beginnt die Hochsaison erst im Oktober.
Nun feiert BAT den 30. Geburtstag. Wie hat sich das Bike-Reiseverhalten in dieser Zeit verändert?
Unsere Kundschaft ist mit uns älter geworden, die Ansprüche sind gestiegen und damit auch der Komfort auf den Reisen. Doch nach wie vor können die Kunden nicht nur konsumieren, sondern müssen selber in die Pedalen treten wenn auch auf einigen Reisen mit Rückenwind dank den E-Bikes. Wir machen allerdings keine Trainingslager, vielmehr geht es darum, aktiv und mit offenen Sinnen unterwegs zu sein. Das heisst, auch mal anhalten, sich umschauen und mit Menschen in Kontakt kommen. Unsere Guides haben einen Bezug zu ihrer jeweiligen Destination und können so Türen öffnen, die für andere Reisende verschlossen bleiben würden.
Einblicke ins aktuelle Angebot lieferte traditionell der Infotag im Volkshaus. Diesen können Sie nun nicht in gewohnter Form durchführen. Wie sieht die Alternative aus?
Im Weissen Saal hatten wir jeweils eine Expo mit unseren Partnern, im Gelben und im Blauen Saal liefen Reise-Vorträge. Im Dezember haben wir entschieden, diesmal mit einem Livestream zu arbeiten aus unserem «Studio» in Affoltern. Die Reiseleiter zeigen in 15 Live-Vorträgen neue und besondere Reisen, darunter auch einzigartige Jubiläumsreisen im 2021. Zusehen können alle Interessierten, wer sich registriert, hat zudem die Chance, ein Bike-Weekend in Davos zu gewinnen.
Was sind Ihre Reise-Geheimtipps fürs kommende Jahr?
Aktuell ist es schwierig zu planen. Asien sieht düster aus, da wurde weitgehend dicht gemacht. Am 26. Januar startet eine Tour in Tansania, mit dem Velo rund um den Kilimandscharo, dann ein Trekking auf den Gipfel und zu Abschluss eine Safari und allenfalls auch Badeferien auf Sansibar. Weiter hoffen wir auf Uganda, Mauritius, Südafrika und Sri Lanka. Im Mai oder allenfalls im September steht die Pionierreise nach Peru an (unter anderem Schluchtenlandschaft des Colca-Canyon, Bootsausflug auf dem Titicacasee, Besuch der Inkastadt Machu Picchu, Anm. d. Red.). Besonders ist sicher auch die Kombination von Biken und Salsa-Tanzen mit Einheimischen in Kuba. In Europa bieten wir unter anderem eine Segelkreuzfahrt mit Biken auf den Azoren an. Und Globetrotter-CEO André Lüthi führt auf die Tour «Unbekanntes Nordkorea».
Haben sie persönlich noch einen unerfüllten Bike-Reisetraum?
Ich habe natürlich noch nicht alles gesehen. Gerne würde ich nach Vietnam, Laos und Kambodscha. Nordkorea fände ich auch spannend. Das ist halt eine ganz andere Welt, eine der letzten Diktaturen dieser Art.
Auch auf die Gefahr hin, die Diktatur so zu unterstützen?
Der Gedanke hat uns lange zögern lassen, diese Reise anzubieten. Aber manches muss man selber sehen, um sich ein Bild machen zu können. Das sagt auch André Lüthi. Nach Burma sind wir damals auch vor allen andern einfach gegangen – trotz internationalen Sanktionen.