Reisebericht Radreise Mongolei
Bike-Abenteuer in der Mongolei – unterwegs mit dem Fahrrad
Die Auszeit von sechs Wochen zusammen mit meinem Mann wollte ich für eine ausgiebige Asien-Reise nutzen. So begannen wir zu planen und zu recherchieren, kombinierten Destinationen miteinander und verwarfen die Pläne wieder, da es flugtechnisch nicht möglich oder zu weit war, bis schliesslich die Idee geboren war, mit Südindien (Kerala) zu beginnen, dann nach Peking zu fliegen und nach der Besichtigung dieser Grossstadt mit der transsibirischen oder genauer der transmongolischen Eisenbahn nach Ulan Bator in die Mongolei zu fahren. Zwar ist die Reisezeit Ende April eigentlich zu früh für dieses Reiseziel, doch wir konnten auf diese Weise drei völlig verschiedene Kulturen miteinander kombinieren und erlebten eine eher unbekannte Seite der Mongolei in der Vorsaison. Auch klimatisch kamen wir mit der feuchten Hitze Südindiens und der bitteren Kälte der Mongolei voll auf die Rechnung und konnten unsere Ausrüstung testen.
Fahrt in der transmongolischen Eisenbahn von Peking nach Ulan Bator
Eineinhalb Tage und eine Nacht dauert die Fahrt von Peking nach Ulan Bator mit der transmongolischen Eisenbahn. Die Einrichtung in den Zügen ist sehr einfach und es ist ratsam, sein eigenes Essen mitzunehmen, denn das Angebot des Speisewagens ist nicht überwältigend, dafür sehr teuer. Wir werden von zwei mongolischen Schaffnerinnen sehr zuvorkommend begleitet, wenn auch die Verständigung nur mit Zeichen und Gesten möglich ist. An der Grenze von China zur Mongolei haben wir drei Stunden Aufenthalt und können ein seltenes Spektakel mitverfolgen. Die Spurbreite der mongolischen Züge ist nämlich weiter als jene der chinesischen und so wird der gesamte Zug in einer Halle etwas abseits des Bahnhofs hydraulisch angehoben. Dann wird das Rollmaterial gelöst und unter dem Zug hervorgeschoben und durch neues, welches die passende Spurbreite hat, ersetzt. Wir staunen, als wir unsere beiden Schaffnerinnen, nun mit Turnschuhen und Handschuhen ausgerüstet, kräftig mithelfen sehen. Kaum ist der „Radwechsel“ vollzogen, erscheinen sie wieder adrett mit Jupe und Häubchen in der Uniform.
Am Nachmittag des nächsten Tages erreichen wir gespannt Ulan Bator, die mongolische Hauptstadt, die wir uns nur schwer vorstellen können. Unser Agent Zaya holt uns direkt im Zug ab und bringt uns ins Hotel. Die Stadt hat auf den ersten Blick ein modernes Flair und die frühlingshafte Temperatur verunmöglicht es uns vorzustellen, dass Ulan Bator mit einer Durchschnittstemperatur von −2 °C die kälteste Hauptstadt der Welt ist.
Erstes Treffen mit unserem Begleitteam
Am nächsten Morgen erwarten wir voller Spannung unser Treffen mit Nazgar, dem Fahrer des russischen Kleinbusses der Marke Purgon. Auch Baska lernen wir kennen. Er begleitet unsere Gruppen jeweils auf dem Velo. Diesmal ist er allerdings nicht dabei. Er hat aber unsere beiden Mietbikes auf Vordermann gebracht. Der Fahrer Nazgar gewinnt mit seiner tiefen Stimme, seiner Wärme in den Augen und seinem ruhigen Wesen sofort unsere Sympathie. Ein Reiseleiter hat ihm den Übernamen Bronson gegeben, da er dem Schauspieler tatsächlich ähnlich sieht. Der kleine Purgon ist voll bepackt mit Lebensmitteln und allem, was wir sonst auf der 18-tägigen Reise ins mongolische Outback brauchen. Er hat reichlich Kilometer auf dem Tacho, aber Bronson ist sich sicher, dass sein Gefährt nie versagen wird. Das Auto dient dem Fahrer nachts auch als Schlafzimmer, da Nazgar sein Fahrzeug immer im Auge behalten will und da er als älterer Herr vielleicht einfach auch mal gerne alleine ist. Baska gibt uns noch ein paar Tipps zum Aufladen der Bikes und dann kann unsere Reise mit Zaya und Nazgar starten. Während unser Fahrer den Weg nach Erdenet gleich in Angriff nimmt, haben wir noch Zeit, das eindrückliche Museum im Winterpalast der Stadt zu besuchen, bevor wir abends den Nachtzug nach Erdenet besteigen.
Erste Bike-Etappe von Bulgan zum Uran Togoo-Gebirge
Wir kommen am nächsten Morgen pünktlich in Erdenet an und freuen uns, Nazgar mit seinem Purgon und unserem Gepäck samt Velos am Bahnhof anzutreffen. Erst mal ist ein feines Frühstück im Hochzeitshaus angesagt. Das angenehme Restaurant beherbergt nämlich auch das offizielle Standesamt der Stadt Erdenet. Nach der Stärkung bringt uns der Bus aus der Stadt in Richtung Bulgan, wo unsere erste Etappe der Bikereise durch Mongolei beginnt. Beim Abschied hatte uns die Mutter von Zaya prophezeit, dass wir auf Schnee und Eiseskälte treffen werden. Wie gut, dass sie sich getäuscht hat. Wir haben geradezu frühlingshafte Temperaturen auf der ganzen Etappe. Nur der harsche Gegenwind wirkt manchmal etwas kräfteraubend. Ein feines Picknick auf der Passhöhe bringt uns wieder auf Touren und wir erreichen abends unsere erste Unterkunft am Uran Togoo-Gebirge. Diese erste Etappe wird ausschliesslich auf Asphalt gefahren.
Fahrt zum Ogii See
Am nächsten Tag ist bereits ausschliesslich Naturpiste angesagt. Der Unterschied ist kräftemässig nicht zu unterschätzen. Da Vorsaison ist, sind wir praktisch allein in der grenzenlosen Weite unterwegs. Vereinzelte Tierschädel am Weg machen deutlich, dass der Winter lang und streng ist und gerade erst zu Ende gegangen ist. Ab und zu kommen Nomaden neugierig vorbei und fragen nach unserer Reiseroute. Die Hirten treiben ihre Herde heutzutage eher mit dem Motorrad als mit dem Pferd zusammen. Die Neuzeit ist auch in der Mongolei angekommen. Auch Mobiltelefone gehören längst auch bei den Nomaden zum normalen Alltag und haben einen sehr hohen Stellenwert.
Wir folgen heute lange dem Fluss Orkhon. Mit seinen 1124 km ist er der längste Fluss des Landes und ist ein wichtiger Lebensnerv. An seinem Ufer an einem lauschigen Platz beweist uns Zaya zum ersten Mal seine Kochkunst und bereitet eine sehr leckere Nudelsuppe zu. Sie ist die Hauptspeise der Mongolen und hat alles, was man braucht. Selber gemachte Nudeln, Kartoffeln, viel Gemüse und meist Lamm-oder Hammelfleisch. Nach dem Mittagessen verladen wir unsere Bikes und machen uns im Auto auf den Weg zum Ogii See. Dort wartet das erste Jurtencamp auf uns. Der Wind hat an Stärke zugenommen.
Da die Saison noch nicht begonnen hat, ist das Camp erst provisorisch hergerichtet. Es gibt noch kein fliessendes Wasser, da es in den Leitungen gefrieren würde. Somit funktionieren weder Toiletten noch Duschen. Campieren unter einfachsten Verhältnissen ist somit angesagt. Ein Glück, dass der Ofen in der Mitte der Jurte funktioniert. Unsere Gastgeber geben uns neben dem Holz noch Kohle, damit das Feuer über Nacht nicht erlischt. Am nächsten Tag ist Ruhetag. Wir verbringen ihn wegen des starken Windes vorwiegend in der Jurte. Zaya kocht für uns. Am Ofen sitzend erfahren wir Interessantes von den Nomaden, von Dschingis Khan, der Medizin der Schamanen und wir probieren unseren ersten Wodka, welcher mir mit seiner Stärke die Stimme verschlägt.
Weiterfahrt Richtung Tsetserleg und Tsagaan See
Weil die Temperatur stetig abnimmt, reisen wir vorwiegend in unserem Fahrzeug statt auf dem Bike. Der Purgon mit den drei Bikes auf dem Dach zieht immer wieder neugierige Blicke auf sich. Tsetserleg ist die Hauptstadt des Bezirks Arkhangai. Der Zungenbrecher liegt in den Ausläufern des Changai-Gebirges auf 1691 Metern und ist in idyllische Grassteppe eingebettet. Trotzdem haben wir fast nur Augen für die deutsche Bäckerei mit ihren tollen Sandwiches und der Pâtisserie, für welche wir gerne einmal auf die Nudelsuppe verzichten.
Der Tsagaan See ist ein riesiger, fischreicher See, der auf 2060 Metern liegt. Er wird auch weisser See genannt, weil er den Winter hindurch und bis in den Mai zugefroren ist. Bei unserer Ankunft treiben noch zahlreiche Eisschollen im Wasser. Direkt am Ufer des Sees steht unser Camp. Auch dieses ist wegen der Kälte noch nicht regulär in Betrieb. Statt in Jurten wohnen wir in hübschen Holzhäuschen. Dennoch müssen wir auch hier den Holzofen kräftig einfeuern, um über Nacht warm zu haben.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg Richtung Khorgo-Vulkan. Unterwegs kreuzen wir immer wieder Yakherden. Die grossen Tiere mit ihrem dicken Fell flössen uns Respekt ein. Bei Annäherung zeigen sie sich aber meist sehr scheu. Der Aufstieg zum Krater dauert ca. 20 Minuten. Er ist stolze 100 Meter tief und 200 Meter breit und sein Gestein hat diverse Farben. Bis etwa 1920 galt der Khorgo als ein heiliger Berg, den nur Auserwählte betreten durften. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Ovoos errichtet – Steinhaufen, an denen man der Geister gedenkt und sie durch das Auflegen eines oder mehrerer weiterer Steine oder einer anderen Opfergabe um ihr Wohlwollen bittet. Solche Ovoos treffen wir auch auf der weiteren Reise immer wieder an. Vom Kraterrand aus offenbart sich uns ein weiter Blick über die unendliche Steppe.
Heisse Quellen von Tsenkher
Die Temperatur wird leider täglich kälter. Ob die Mutter von Zaya doch recht hatte mit dem Schnee? Umso mehr freuen wir uns auf unser mongolisches Wellness-Erlebnis bei den natürlichen Thermalquellen. Das Wasser ist 85 Grad heiss wenn es aus der Quelle sprudelt und soll heilende Kräfte besitzen. Das wohltuende heisse Bad ist aber nicht das einzige Highlight in diesem Camp. Wir werden auch von den Kochkünsten der Camp-Besitzerin wahrhaft verwöhnt. Die junge Frau ist spezialisiert auf gesunde (Diät)-Küche und sie zaubert eine für uns ungewohnte Vielfalt auf den Tisch. Als wir uns vom Essen wieder Richtung Jurte auf den Weg machen, beginnt es leicht zu schneien!
Dem Orkhon entlang in die ehemalige Hauptstadt Karakorum
Wir folgen dem Flusslauf des Orkhon bis nach Karakorum. Dort hat unser Reiseleiter Zaya ein neues Camp entdeckt, wo wir so richtig nobel logieren. Es gibt warme Duschen und sehr geräumige und hübsch eingerichtete Jurten. Die Stadt selber erleben wir als wenig gastlich. Das lamaistische Kloster Erdene Zuu hingegen zieht uns mit seinen verschiedenen Schätzen aus längst vergangener Zeit sofort in seinen Bann. Die charmante Führerin erzählt uns zudem viel von der reichen Geschichte des Landes unter dem mächtigen Herrscher Dschingis Khan.
Hustai Nationalpark
Die Przewalski-Pferde oder Takhi sind die Attraktion in diesem gross angelegten Park. Es sind asiatische Wildpferde, die in ihrer Art einzigartig sind. Sie wurden nie mit Hauspferden gekreuzt und behielten daher ihre typischen Charakterzüge und Gene. Diese kleinen Pferde mit dem starken Körperbau wurden von den Nomaden als Arbeitstiere benutzt. Sie dankten es ihnen mit dem Namen. Takhi bedeutet mongolisch heilig. Unsere Freude ist natürlich gross, als wir zwei stolze Pferde perfekt vor die Linse bekommen. Gemäss Zaya geschieht es oft, dass man stundenlang nach ihnen suchen muss. Der Kaffee aus der Kolben-Maschine im Restaurant des Parks macht diesen Tag aber erst so richtig perfekt.
Zurück nach Ulan Bator
Schon steht die letzte Etappe unser eindrücklichen Reise an. Vorher ermöglicht uns Zaya aber noch einen besonderen, kulturellen Leckerbissen. Kurz vor der Hauptstadt gibt es ein Camp, welches die Arbeit und das Leben der Nomaden in einer Show zeigen. Hautnah erleben wir, wie die Jungen auf Yaks Feldarbeit verrichten. Wir dürfen in einer Jurte frisch zubereitetes und typisches Essen kosten und dazu spielt ein Bursche die Pferdekopf-Geige. Selbst ein kurzer Ritt auf Yak, Kamel und Pferd liegen für mich drin, was mich sehr glücklich macht.
Statue von Dschingis Khan
Da wir in Ulan Bator noch ein paar Tage Zeit haben vor dem Abflug in die Heimat, erkunden wir zuerst die Hauptstadt. Sie ist voller Gegensätze und stark am Wachsen. Alte Industrieanlagen stossen pechschwarzen Rauch in die Luft. Daneben gibt es aber auch sehr moderne Viertel mit westlich anmutenden Kaffees, wo selbst geniessbare Pizza zu finden ist. Wir entdecken ein sehr gut sortiertes Warenhaus und sogar ein modernes Bikegeschäft. Am nächsten Tag möchte uns Zaya unbedingt noch die Statue von Dschingis Khan zeigen. Dieses monumentale Reiterstandbild steht rund 54 Kilometer südöstlich von Ulan Bator. Der Standort, in der Provinz Töw-Aimag, ist ein Platz, an dem Dschingis Khan einer Legende zufolge eine goldene Gerte gefunden haben soll. Die Statue zeigt ihn auf dem Rücken eines Pferdes sitzend mit der Gerte in der rechten Hand. Dschingis Khan war der erste Grosskhan der Mongolen. Er eroberte weite Teile Asiens. Zwar soll er ein brutaler Herrscher gewesen sein. Dennoch wird er von der Bevölkerung verehrt. Mit einem Lift können wir den Rücken des Pferdes erreichen und gelangen so auf eine Plattform von wo wir eine überwältigende Aussicht haben. Nach einer letzten Nacht in Ulan Bator heisst es dann endgültig Abschied nehmen von unserer kleinen Crew, welche uns so gut betreut hat.
Die Veloferien neigten sich dem Ende zu. Wir nehmen viele Eindrücke dieses tollen Landes mit nach Hause und freuen uns vorerst einmal auf etwas wärmere Gefilde in der Schweiz. Herzlichen Dank Zaya an dich und das ganze Team!
Reisebericht-Autorin: Marlise Haller
Infos zum Reisebericht
Reisejahr: 2018